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Die Geschichte der Initiative Gedenkstätte Eckerwald e.V
Streiflichtartiger Überblick
Die Anfänge der Initiative
Am 5. Mai 1985 lud die Rottweiler Friedensinitiative, die sich als Glied im Netz der bundesweiten Friedensbewegung der Achtzigerjahre verstand, zum ersten Mal zu einer Gedenkfeier in den Eckerwald ein. Die Tatsache, dass daran auch die Gemeinderatsfraktionen von Rottweil samt ihrem Oberbürgermeister teilnahmen, kann als Beispiel für eine beginnende Öffnung angesehen werden, sich mit der NS-Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen.
Am 22. September 1985 fand auf dem KZ-Freidhof Schörzingen eine weitere Gedenkfeier statt, die sich gegen die Pläne einer Mülldeponie neben dem KZ-Friedhof oder dem Arbeitsgelände des Außenkommandos Zepfenhan wandte. Weit über 300 Menschen folgten der Einladung der Bürgerinitiative Aspen, anwesend waren die evangelischen und katholischen Jugendgruppen der Regionen Rottweil und Heuberg, Vertreter der Vereine und Parteien, sowie die Naturfreunde Schramberg und Tuttlingen und der VVN-BdA. Aus diesen Ansätzen heraus entstand allmählich die Initiative Gedenkstätte Eckerwald. Knapp zwei Jahre später gab sich diese Bürgerinitiative am 11. Februar 1987 die verfasste Form eines eingetragenen Vereins.
Wie aus einem Dickicht ein Gedenkpfad entstand
Als erstes war es nötig, den nahezu undurchdringlichen Wald auszulichten und einen Weg anzulegen. Die Gemeinde Schömberg-Schörzingen, die als Grundeigentümerin für den Wald zuständig war, gab grünes Licht. Das Forstamt fällte Bäume, Jugendliche von zwei internationalen Workcamps schütteten nach den Plänen des Architekturbüros Morlok aus Isny Schotter auf, setzten Treppenstufen ins hügelige Gelände und bauten Brücken. Im Herbst 1987 konnte die Initiative der Öffentlichkeit zum ersten Mal eine Führung über den neu angelegten Gedenkpfad anbieten.
Von Anfang an arbeitete der Rottweiler Bildhauer Siegfried Haas mit. Er entwarf eine Bronzeplastik für die Gedenkstätte. Eine in die Knie gedrückte Figur eines ausgemergelten Häftlings. Als dann am 23. April 1989 die Gedenkstätte im Rahmen einer Gedenkfeier definitiv eingeweiht wurde, waren auch überlebende KZ-Häftlinge der Wüste-Lager aus Frankreich, Luxemburg, Polen und auch aus Deutschland dabei.
Zur Gedenkfeier 2003 installierte der Tübinger Künstler Ulrich Schultheiß drei Holzstelen an den Betonwänden der ehemaligen Gebläse-Anlage. Schemenhaft sind darauf in schwarzer Farbe menschliche Umrisse abgebildet.
Im Sommer 2004 schließlich vermachte Siegfried Haas dem Gedenkpfad eine zweite Bronzeplastik, aufgestellt auf dem Vorplatz der Kaminsockel-Ruine. Auf der Vorderseite dieses Täter-Torsos mahnen die Worte: „Macht ist Ohnmacht“.
Informationslücken schließen, Dokumentation, Lerninseln
Das Thema Dokumentation bedeutete zunächst vor allem Forschung und Recherche. Man fand nach und nach Zugang zu wichtigen Archiven, genannt seien das Archiv des Zementwerkes in Dotternhausen, das Archiv des Zollernalbkreises, das „Archives de l’occupation“ in Colmar, sowie verschiedene Privatarchive. Dazu gehören der Ordner von Rudi Holoch, das Fotoalbum der Amicale der luxemburgischen Häftlinge, das Fotoalbum von Liliane Gesson.
Eine zweite wichtige Säule der dokumentarischen Erarbeitung bildete eine Reihe von Berichten überlebender Häftlinge der Wüste-Lager. Unverzichtbar dabei war der ausführliche Bericht Julien Hagenbourgers, des ehemaligen Lagerschreibers von Schörzingen. In überarbeiteter Form veröffentlichte ihn die Initiative Eckerwald unter dem Titel „Aus schwerem Traum erwachen“.
Nachdem die äußerst spärlichen Informationen auf den KZ-Friedhöfen jahrzehntelang die einzigen Zeugen in der Öffentlichkeit geblieben waren, gestaltete die Initiative Eckerwald 1990 in der Backsteinruine der ehemaligen Gasreinigungsanlage eine Dokumentation in Form einer Dauerausstellung, die inzwischen zweimal überarbeitet wurde.
Eine weitere wichtige Dokumentationsstätte wurde in den Jahren 2006 – 2008 beim KZ-Friedhof Schömberg von der Initiative Eckerwald geschaffen. Auch hier galt es eine Informationslücke zu schließen. Im Zentrum dieses „Lernortes“ steht ein Betonkubus, auf dem – eingraviert in große Glasplatten – 1774 Namen der Toten der Lager Dautmergen und Schömberg aufgeführt sind. Um diesen Kubus gruppieren sich vier „Lerninseln“, jede mit einem eigenen Thema: „Gruben und Gräber“, „Die Realität des KZ“, „KZ-Häftlinge“ und „Das Unternehmen Wüste“. Die dreieckige Anordnung der Tafeln auf den Lerninseln soll an die Form des "Winkels" erinnern, den jeder KZ-Gefangene auf seinem Häftlingsanzug trug und dessen Farbe über den Grund der KZ-Haft Auskunft gab. Um die Tafeln zu studieren, muss sich der Besucher ins Innere der Dreiecke hineinbegeben.
Begegnungen mit Überlebenden der Wüste-Lager und deren Angehörigen
Bereits im Frühjahr 1988 kam ein Bus mit Überlebenden und Angehörigen aus Luxemburg, mit dabei: der damalige Minister Robert Krieps. Leon Donven, Ernest Gillen, Charles Hausemer, Marius Pauly, Namen, hinter denen sich nicht nur ehemalige KZ-Häftlinge verbargen, sondern bald auch richtige Freunde, die die Arbeit auf vielerlei Weise, auch finanziell unterstützten.
Immer wieder kamen neue Gesichter dazu: 1995 zwei Busse aus Polen, vermittelt über das Maximilian Kolbe Werk. Auch hier entstanden bleibende Freundschaften: Jacek Zieliniewicz, Jerzy Sztanka, Eugeniusz Dabrowski und viele andere.
Drei Namen französischer Überlebender, die die Gedenkstätte immer wieder besuchten, sind Serge Lampin, Julien Hagenbourger und René Collin.
Eine besondere Gruppe stellen die Gäste aus dem Rabodeautal in den West-Vogesen dar. In der Gegend von La Petite Raon, Moussey und Senones bildete sich im Juni 1944 ein Widerstandsnest, das von britischen Fallschirmjägern unterstützt wurde. Die Folge waren Razzien, die meisten Männer kamen in Konzentrationslager, unter anderem ins Lager Schörzingen. Einer von ihnen war der Überlebende Robert Egly, und stellvertretend für viele Angehörige stehen die Namen Marie Louise Celle und Anni Sublon.
Aus Norwegen kamen die Überlebenden Helge Norseth und Kristian Ottosen und Angehörige anderer Häftlinge, ebenso aus den Niederlanden die Angehörigen von Frans Fontaine. Aus der Ukraine besuchte im Sommer 2005 der Überlebende Vasyl Volodko die Initiative.
Inzwischen leben kaum noch überlebende Häftlinge. So konzentrieren sich die Kontakte vor allem auf Angehörige der zweiten und dritten Generation. Zu neuen Begegnungen kam es nicht nur mit Nachkommen ehemaliger Häftlinge aus Polen, sondern auch aus Ungarn, aus dem früheren Jugoslawien, aus Österreich und der Schweiz und auch aus Deutschland. Aus ganz Europa melden sich jedes Jahr Angehörige, die auf der Suche nach den Spuren ihrer umgekommenen Väter, Großväter und Urgroßväter sind.
Im Lauf der Jahre bildete sich so ein Netz von Freundschaften, das zugleich vielleicht einen friedenspolitischen Mosaikstein im Sinne von Völkerverständigung darstellt.